SchreibGlück-Buchvorstellung: 24 Tage im Dunkelretreat. Bericht einer Extrem-Erfahrung
Susanne Nadler
Erst 12, dann 24 Tage in absoluter Dunkelheit. In einem soganannten Dunkelretreat -ohne jede Ablenkung, auf 9 Quadratmetern, 24 Stunden pro Tag! Alles, was die Protagonistin mitnahm: sich selbst, Fastenutensilien, Meditations- und Tai-Chi-Übungen. Einmal am Tag kam der Betreuer für eine Stunde zu einem Gespräch.
Die minutiöse Dokumentation gibt einen seltenen intimen Einblick in die komplexe Erfahrung einer abenteuerlichen Reise ins eigene Unterbewusstsein und darüber hinaus sowie in den vorbehaltlos nackt erzählten Prozess einer tiefen Selbsterforschung.
Auszug aus dem Buch: „Grenzerfahrung Dunkelretreat“ – Ein Erfahrungsbericht über zwei Langzeitaufenthalte in absoluter Dunkelheit
von Saskia John
Kapitel 2 – Erste Dunkeltherapie
1. Tag – Angst
Ich bin unheimlich aufgeregt, in Erwartung dessen, was da auf mich zukommt. Siebeneinhalb Stunden Autofahrt von der Heimat in den Schwarzwald liegen hinter mir. Für die herrliche Umgebung habe ich kaum ein Auge übrig und auch in den nächsten Tagen werde ich nichts davon sehen, denn ich bin gekommen, um in die Dunkelheit zu gehen.
Ich habe Angst. Vor allem davor, Dinge zu sehen oder zu erfahren, die es eigentlich dem „normalen“ Menschenverstand nach nicht gibt, z. B. Geister. Und ich habe riesige Angst davor, dass dann in mir eine Sicherung durchbrennt und ich verrückt werde oder vor Schreck auf der Stelle tot umfalle.
Es ist später Nachmittag. Mein Herz schlägt aufgeregt, und ich folge Holger, meinem Betreuer, nach der ersten Begrüßung mit äußerst gemischten Gefühlen in mein Appartement. Er wird mich in diesen zwölf Tagen begleiten, indem er mir Tee bringt und eine Stunde am Tag für Gespräche zur Verfügung steht. Die restlichen 23 Stunden werde ich mit mir und der Dunkelheit allein sein.
Ich schaue in ein ganz kleines, schlicht eingerichtetes Zimmer mit einer gemütlichen Dachschräge. Rechts an der Wand das Bett, ein kleiner flacher Tisch direkt gegenüber, links neben dem Tisch ein heller Korbsessel und eine Matratze zwei Schritt vor mir auf dem Boden – das ist alles. Die Schlichtheit und Enge wirkt ernüchternd auf mich. Das Bad wirkt im Gegensatz zum Zimmer groß und geräumig. Alle Fenster und Schlitze in den Räumen und auf dem Flur sind sorgfältig abgedunkelt.
Ich ziehe mir bequeme Kleidung an und präge mir genauestens den Ort der Ablage meiner persönlichen Sachen ein. Außerdem stelle ich die Saftflaschen, Mineralstofftabletten und das Pulver für Brühe bereit, denn ich werde in den zwölf Tagen fasten.
Kaum bin ich fertig, steht Holger auch schon in der Tür. Oh Gott! Jetzt wird es ernst. Er erklärt mir, dass er die Sicherungen für das Licht rausdreht, damit ich nicht aus Versehen im Dunkeln an die Lichtschalter komme und das Licht einschalte. Mir wird ganz mulmig, keine Chance zum Schummeln! Als er gehen will, erzähle ich ihm von meiner Angst. Dass ich ihn am liebsten festhalten und nicht weglassen möchte und mich in diesem Moment wie ein kleines Kind fühle, das Schutz und Geborgenheit bei Papa sucht, verschweige ich ihm – kommt mir zu lächerlich vor. Am liebsten wäre ich auf der Stelle auf Nimmerwiedersehen in einem Mäuseloch verschwunden…..