Klärungsgespräch mit den Eltern – 5 häufige Fehler, 5 hilfreiche Tipps

Zwei Frauen auf einer Bank reden miteinander, im Hintergrund sind Berge zu sehen, Klärungsgespräch mit den Eltern - Saskia John

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Klärungsgespräch mit den Eltern – 5 häufige Fehler, 5 hilfreiche Tipps

Ein Klärungsgespräch mit den Eltern kann auch für bereits Erwachsene sehr herausfordernd sein. Warum? Unsere in der Kindheit geprägten Glaubenssätze und Gewohnheiten springen an. Oft sind es die sogenannten Kleinigkeiten im Alltag, die im Kontakt mit den Eltern immer wieder emotional weh tun. In den Momenten, wo wir Vorwürfe oder Forderungen hören:

“Du meldest Dich ja nie!”

“Du kommst so selten vorbei!”

“Rufst du auch endlich wieder an?”

Wir verfallen dann in unsere kindlichen Verhaltensweisen, rechtfertigen und verteidigen uns und treten den Eltern nicht mehr erwachsen gegenüber. Frust und Ärger sind die Folge.

Um uns in unseren Bedürfnissen nicht selbst zu übergehen, ist ein Klärungsgespräch hilfreich. Ich möchte dazu das Beispiel von erwarteten Telefonanrufen seitens der Eltern aufgreifen.

 

“Rufst du auch endlich mal wieder an?!”

Eine Klientin ruft nach längerer Pause ihre Eltern voller Freude an. Das Telefon klingelt, die Mutter hebt ab.

„Hallo Mutti, ich bin´s …“

Die Mutter antwortet mit scharfem Ton: „Rufst du auch endlich mal wieder an?“

Die Klientin ist pappe satt, noch bevor ein weiteres Wort gesprochen wird, und beginnt sich zu rechtfertigen: „Ja, ich hatte keine Zeit …“

Mutter: „Für deine Freunde hast du immer Zeit!“

Das bringt das Fass zum Überlaufen. Sie wirft der Mutter vor, sie melde sich selbst niemals und könne ja auch anrufen. Wütend schmeißt sie den Hörer auf.

Nie wieder!, schwor sich die Klientin. Ihre Freude auf ein Gespräch mit der Mutter ist erloschen und so ruft sie ewige Zeiten nicht mehr an, um keine weiteren Vorwürfe zu erhalten. Doch irgendwann ist die Sache (scheinbar) vergessen, ein weiterer Anruf … und das Spiel geht von vorne los. Ein Hamsterrad.

“Das geht schon über Jahre so”, berichtete die Klientin.

Um die Situation zu verändern, holte sie sich Hilfe, wie sie das Thema bei ihrer Mutter anders ansprechen kann.

 

Welche Fehler wurden im Gespräch mit der Mutter gemacht?

Da der Sachverhalt komplex ist, möchte ich hier nur auf die Situation und das Klärungsgespräch eingehen und nicht auf den tieferen Hintergrund der Beziehungsdynamik zu den Eltern in der Kindheit der Klientin.

  • sich mit Ausreden verteidigen und rechtfertigen (ich hatte keine Zeit);
  • selbst das tun, was man dem anderen ankreidet. Die Klientin hatte ihrerseits Erwartungen und machte Vorwürfe (die Mutter melde sich niemals und könne ja auch anrufen). Obwohl sie als Geschäftsfrau mit beiden Beinen fest im Leben steht, verhielt sie sich der Mutter gegenüber wie in ihrer Kindheit.
  • Forderungen stellen:
    • Den Eltern zu sagen, was sie tun oder lassen sollen, kommt verständlicherweise nicht gut bei ihnen an.
  • „braves“ Zuhören, obwohl du innerlich ein „Nein“ hast und nicht mehr zuhören magst;
  • zu spät Grenzen setzen, sodass sich der Ärger in dir aufstaut. Wenn das Fass voll ist, können Inhalte kaum noch freundlich oder sachlich angesprochen werden. Dann kommt alles, was du aus dem Ärger heraus sagst, scharf und oft auch als Vorwurf beim anderen an.

 

Folgen der „Fehler“

Deine Verteidigung und dein Ärger wirken auf den anderen (in dem Beispiel die Mutter) wie ein Angriff. Daraufhin fährt sie, bildlich gesprochen, innerlich ihr „Rollo“ herunter und schützt sich so vor dir, sodass du sie nicht mehr erreichen kannst. Sie kann nicht mehr hören, was du ihr sagen möchtest. Es ist dann, als sprichst du mit einer geschlossenen Tür. Daher bleibt alles, wie es ist und es ändert sich weiterhin NICHTS.

Wichtig:

  • Warte nicht auf „die nächste Runde …“, sondern handle sofort, um weiteren Vorwürfen vorzubeugen.
  • Je eher du den Sachverhalt ansprichst, umso leichter ist es, da der Ärger noch nicht so hoch aufgestaut ist, wie nach zahllosen Wiederholungen. Mit einem Bauch voller Wut ist es fast unmöglich, etwas ruhig und sachlich zu besprechen und im Gespräch klar zu bleiben.
  • Wenn du dich in deinen Gefühlen nicht oder nur schwer regulieren und daher die Dinge nicht gut für Dich klären kannst, macht es aus meiner Sicht Sinn, sich professionelle Hilfe zu holen, um deine Selbstregulation und Beziehungsfähigkeit zu fördern und zu stabilisieren.

 

Klärungsgespräch mit den Eltern einleiten

Um dem Klärungsgespräch mit den Eltern einen guten Rahmen zu geben, hilft es sich zu überlegen, wo du das Gespräch führen möchtest. Am besten nicht im Elternhaus, um nicht in deine gewohnten kindlichen Verhaltensmuster der Mutter gegenüber hineinzurutschen. Eine neutrale öffentliche Zone, wo ihr zugleich ungestört seid (z. B. ein Park oder ein Café), kann sehr hilfreich sein.

Du könntest sofort oder am nächsten Tag (also zeitnah) deine Mutter nochmals anrufen und um ein Gespräch bitten – und dafür einen extra Termin mit ihr vereinbaren. Für mich hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, anders zu beginnen als sonst üblich. Du könntest z. B. sagen:

“Mutti, ich möchte gern etwas Wichtiges mit dir besprechen. Wann hättest du Zeit? Das dauert vielleicht eine Viertelstunde.”

Das bringt auf beiden Seiten die volle Aufmerksamkeit auf das bevorstehende Gespräch, ein besonderes Wach-Sein, das das (gegenseitige) Zuhören unterstützt.

Wenn dir ein persönliches Gespräch zu schwierig erscheint, könntest du ihr auch einen Brief oder eine E-Mail schreiben.

 

Wie kannst Du ein Klärungsgespräch mit den Eltern erwachsen angehen?

Es gibt viele Varianten für ein Klärungsgespräch, um eine nachhaltige Änderung zu bewirken. Eine davon möchte ich hier vorstellen.

Wenn du dein Gespräch mit der Mutter hast, könntest du das z. B. so ausdrücken:

„Mutti, ich höre, dass du gern öfter angerufen werden magst. Wenn du jedoch gleich nach meiner Begrüßung in einem ärgerlichen Tonfall sagst „Rufst du auch endlich mal wieder an?“, dann klingt das für mich wie ein Vorwurf und bewirkt, dass meine Freude, die ich vor dem Anruf hatte, schlagartig verschwunden ist. Ich fühle mich damit einfach unwohl und würde am liebsten gleich wieder auflegen. Das ist der Grund, warum ich so selten anrufe. Wäre es dir möglich, den Vorwurf und deine Erwartungen in meine Richtung zukünftig wegzulassen? Das wäre für mich sehr hilfreich und könnte dazu führen, dass ich mich wieder öfters melden möchte. Kannst du das nachvollziehen, Mutti?“

Solche oder ähnliche Worte könntest du wählen. Meine Erfahrung ist: Wenn du dein Anliegen ruhig und sachlich, ohne Vorwürfe, ansprichst, können Mütter und Väter das verstehen und sind sogar dankbar dafür, dass das Thema angesprochen wurde. Sie bemühen sich in der Regel, es anders zu machen, denn sie wollen dir ja nicht bewusst weh tun. Eltern wollen normalerweise, dass ihre Kinder sich mit ihnen wohl fühlen. Oft geschieht diese vorwurfsvolle Art der Kommunikation ja nur, „weil es schon immer so war“ und die Eltern es selbst nicht anders kennengelernt haben.

 

Fehler-Checkliste für ein Klärungsgespräch mit den Eltern

Wenn du bereits mehrfach versucht hast, etwas erwachsen anzusprechen, und du nach wie vor die gleichen Vorwürfe erhältst, lohnt es sich, in sich zu gehen und sich ehrlich zu fragen:

  • Wie habe ich mich vermittelt? Habe ich über mich gesprochen und Ich-Botschaften gemacht?
  • War ich freundlich – oder zumindest sachlich?
  • War ich klar in meiner Botschaft?
  • Habe ich alle Vorwürfe, Erwartungen und Forderungen weggelassen? (Was du dir von anderen wünschst, setze zuerst selbst um)
  • Habe ich Bitten geäußert, wie ich es mir wünschen würde und Veränderungsvorschläge eingebracht?
  • Wäre ich zu Konsequenzen bereit, falls sich trotz erwachsenem Ansprechen weiterhin nichts ändern sollte? Und habe ich auf die möglichen Konsequenzen schon ruhig und sachlich hingewiesen? Zum Beispiel kann eine längere Telefon- und Besuchspause sehr hilfreich sein, um zwischenzeitlich die Wunden deines inneren Kindes zu heilen und zur inneren Ruhe zu kommen.

 

Zusammenfassung

  • Über dich selbst sprechen
  • Ich-Botschaften machen
  • ehrlich, sachlich und klar ansprechen, was Dich bedrückt in der Beziehung/im Kontakt mit der Mutter (dem Vater).
  • sprich zeitnah aus, was genau du nicht mehr magst und wie du es dir anders wünscht.

Ich hoffe, ich konnte dir mit den Tipps einige Anregungen geben. Welche Erfahrungen hast Du gemacht, wenn Du Inhalte bei Deinen Eltern oder anderen Menschen ansprichst? Kommst du zu einer guten Lösung des Sachverhaltes?

Falls Du Fragen zu ähnlichen oder anderen Themen haben solltest und mehr dazu in einem Beitrag oder Video erfahren möchtest, schreibe mir gerne eine Nachricht (Kontakt).

Ich wünsche dir viel Erfolg beim Ansprechen!

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Saskia John

Über die Autorin:

Saskia John wurde in der ehemaligen DDR geboren und studierte dort Veterinärmedizin. Nach der Wende absolvierte sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Seit 1994 arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis. Sie unterstützt Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Heilung und spirituellem Wachstum.
Dabei greift sie auf langjährige Erfahrung in der Trauma Heilung, Inneren-Kind-Arbeit und in der Begleitung von Dunkelretreat-Prozessen zurück. Ihre Arbeit ist geprägt von Reisen nach China und Japan, die sie mit fernöstlichen Heilmethoden in Berührung kommen lassen.
Das Dunkelretreat ist ihr Herzens- und Forschungsprojekt. Sie selbst verbrachte insgesamt 62 Tage in absoluter Dunkelheit. „26 Tage Dunkelheit – Ein Bewusstseins-Experiment“ ist ihr zweites Buch.

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