Gefangen im Sog des Essens: Familienstellen enthüllt unbewusste Ursachen

Sog zum Essen Familienstellen enthüllt wahre Gründe

Inhalt

Einführung

Familiensystemische Verstrickungen haben eine enorme Kraft und entziehen sich jeder Logik und Bewusstheit. Verstrickung bedeutet in diesem Zusammenhang eine gewisse Un-Ordnung im Familiensystem. Das heißt, nicht alle Familienmitglieder

  • stehen an ihrem rechten Platz;
  • verhalten sich dem Platz entsprechend, der ihm oder ihr gebührt;
  • begegnen anderen in der Familie mit Achtung, Wertschätzung und Würde; sie überheben sich z. B. in anmaßender Weise oder ordnen sich übermäßig unter und machen sich unsichtbar, um emotionalem Schmerz aus dem Weg zu gehen.

 

Das Familienstellen offenbart diese Bereiche in unseren Beziehungen, die durchdrungen sind von dieser tieferen, meist unbewussten Un-Ordnung.

In diesem Beitrag teile ich ein Fallbeispiel aus meinen Aufstellungsseminaren und zeige auf, wie bedeutsam das Bewusstsein für generationsaufgreifende Traumata ist und wie das Familienstellen zur Verarbeitung und Heilung dieser Traumata beitragen und dadurch eine Familie wieder in die ihr zutiefst innewohnende Ordnung kommen kann. 

Die Ausgangssituation

„Ich esse wie eine Maschine alles in mich hinein. Wahllos. Es ist wie ein Sog, dem ich nicht widerstehen kann. Ich fühle Hunger, obwohl ich längst satt bin. Wenn der Anfall vorbei ist, geht es mir schlecht, da mein Magen übervoll ist. Zufriedenheit bringt mir das Essen nicht. Dennoch kann ich es einfach nicht lassen. Der Körper zeigt mir über viele Signale, dass mir die Fressanfälle nicht gut tun. Ich möchte eine Aufstellung machen, um zu sehen, was dahinter liegt.“

Verzweifelt saß der 63jährige Klient, den ich hier Eldric nenne, im Aufstellungsseminar. Ich ließ seine Worte auf mich wirken und spürte, dass sein Hunger tiefer ging als der bloße Wunsch nach Nahrung. Ich sagte zu ihm:

„Für manche von uns ist Essen mehr als nur ein körperliches Bedürfnis. Etwas treibt uns dazu, alles in uns hineinzuschlingen, was uns begegnet, egal, ob wir hungrig sind, oder nicht. Das hat mit dem Sog zu tun, dem du nicht widerstehen kannst. Lass uns schauen, was sich hinter diesem unersättlichen Verlangen verbirgt, dich mit Essen zu füllen, obwohl du längst satt bist.“

Die Aufstellung

Ich schlug Eldric vor, die Anteile aufzustellen, die er bereits benannt hat:

  • Einen Stellvertreter für ihn selbst,
  • einen für das Essen,
  • und einen Stellvertreter für den Sog.
 

Eldric stellte die Stellvertreter im Raum auf.

Der Sog ging langsam, aber zielstrebig auf das Essen zu. Eldrics Stellvertreter klebte am Sog und lief wie ein Automat hinter ihm her, als hätte er keinen eigenen Willen.

Als der Sog das Essen mit den Händen berührte, entspannte er sich, ließ die Arme sinken und ging ganz nah an das Essen heran. Eldric ebenso. Der Sog und Eldric wirkten wie eine Einheit.

Eldrics Stellvertreter fasste sich an den Bauch und sagte, ihm sei übel. Der echte Eldric nickte bestätigend. Er kannte diese Übelkeit. Wie gebannt schaute er auf die Stellvertreter.

Ich sah, dass Eldrics Stellvertreter rechts am Essen vorbeischaute. Ich stellte eine Frau in seinen Blick und benannte sie als seine Mutter.

Das Essen trat nach rechts zur Seite.

Nach einer Weile ging das Essen noch weiter weg, stellte sich hinter den Tisch und sagte, der Tisch sei wie eine Barriere.

Der Sog und Eldric hockten sich hin. Die Mutter schaute von oben auf beide herab. Sie trat einen Schritt seitlich nach links und dann etwas näher an Eldric heran, und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf das Essen.

Eldric blickte nach unten und rutschte in die Hocke hinter den Sog, um sich vor der Mutter zu verstecken. Eldrics Stellvertreter fühlte sich klein und hatte Angst vor den Forderungen der Mutter.

Die Mutter ging Eldric hinterher und zeigte eindringlich wieder auf das Essen. Es schien, als wollte sie unbedingt, dass Eldric zum Essen geht.

Enthüllung des inneren Konflikts

Das Essen stand nach wie vor hinter der Barriere und wartete. An der Stelle fragte ich den echten Eldric, warum seine Mutter wolle, dass er zum Essen gehe. Doch Eldric konnte mit all dem nichts anfangen. 

Ich fragte die Stellvertreter nach ihren Gefühlen. Eldrics Stellvertreter sagte, er habe das Gefühl, die Mutter wolle ihn zum Essen schicken. Die Härte der Mutter mache ihm Angst.

Die Mutter sagte, sie wolle unbedingt, dass Eldric das Essen herhole.

Als dieser Satz ausgesprochen war, erinnerte sich der echte Eldric, dass seine Mutter im Krieg als 6-jährige für die Familie Essen klauen musste.

Sie nahm Kartoffeln, Äpfel und was sie sonst noch an Essbarem finden konnte, vom Grundstück des Bauern mit. Dazu musste sie über einen Zaun (Barriere!) klettern und hatte große Angst erwischt zu werden, doch ihre Mutter drängte sie zu gehen, da sie den Haushalt und die anderen Kinder versorgen musste. Alle hatten Hunger! Der Vater war im Krieg. 

Während der echte Eldric davon berichtete, stand der Sog auf, ging langsam an Eldric vorbei und stellte sich weiter weg. Er fühlte sich, als würde er nicht mehr gebraucht. Eldrics Stellvertreter blieb noch in der Hocke.

Die Mutter ging weinend langsam auf das Essen zu.

Die transformative Wende

Je mehr sich die Mutter dem Essen näherte, umso lebendiger fühlte sich Eldrics Stellvertreter. 

Als die Mutter beim Essen stand, drehte sich das Essen zur Mutter und Eldrics Stellvertreter stand auf.

Er sagte, seine Angst sei weg. Er fühle sich jetzt als Mensch, was er zuvor nicht fühlen konnte, als er noch im Bann des Sogs war.

Er könne das Essen jetzt sehen, und fühle klar, dass der Sog weg sei. Er habe keinen Drang mehr zum Essen hin und spüre deutlich, dass das Essensthema  in die Generation der Mutter gehört. An der Stelle beendete ich das Familienstellen.

Fazit – Familienstellen enthüllt wahre Ursache

In diesem Seminar Familienstellen zeigte sich sehr eindrucksvoll, wie sich Ereignisse, die von den Vorfahren verdrängt wurden, in den Nachkommen auswirken und diese belasten können, ohne dass sie sich ihr Fühlen und Handeln erklären oder den Zusammenhang erkennen können.

Das Fallbeispiel habe ich in meinem Video Der Sog zum Essen: Wie sich unverarbeitetes Trauma der Ahnen in den Nachkommen zeigt – Aufstellung nochmals für dich nachgestellt: 

Beitragsbild:  Nik / Unsplash

Inhalt

Saskia John

Über die Autorin:

Saskia John wurde in der ehemaligen DDR geboren und studierte dort Veterinärmedizin. Nach der Wende absolvierte sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Seit 1994 arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis. Sie unterstützt Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Heilung und spirituellem Wachstum.
Dabei greift sie auf langjährige Erfahrung in der Trauma Heilung, Inneren-Kind-Arbeit und in der Begleitung von Dunkelretreat-Prozessen zurück. Ihre Arbeit ist geprägt von Reisen nach China und Japan, die sie mit fernöstlichen Heilmethoden in Berührung kommen lassen.
Das Dunkelretreat ist ihr Herzens- und Forschungsprojekt. Sie selbst verbrachte insgesamt 62 Tage in absoluter Dunkelheit. „26 Tage Dunkelheit – Ein Bewusstseins-Experiment“ ist ihr zweites Buch.

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