Authentisch sein – so überwindest du dein angepasstes Kindheits-Ich

Authentisches Selbst - Saskia John

Inhalt

Einführung

Authentisch sein oder lieber brav und nett sein? Stets nett und freundlich zu sein, erscheint uns als eine positive und wünschenswerte Eigenschaft. Doch wie sieht es tief im Inneren dieser Menschen, die immer nett und brav erscheinen, tatsächlich aus? Ist ihr Verhalten echt?

Manche Menschen neigen dazu, sich in bestimmten Situationen nett und brav zu verhalten, selbst wenn es ihren innersten Wünschen und Bedürfnissen widerspricht. Dieses Verhaltensmuster, das eine Ausdrucksform des Angepassten Selbst (Ego) ist, kann tief im Menschen verwurzelt sein und diesen daran hindern, sein Authentisches Selbst zu leben.

Es gibt wirksame Mittel und Wege, die dir dabei helfen können, innere Barrieren und Anpassungsmuster aufzulösen und dein authentisches Selbst wieder zu fühlen und leben zu können. Ich möchte in diesem Artikel einige Impulse und Anregungen geben, wie das gehen kann.

Der Anpasser in mir – warum kann ich nicht authentisch sein?

Immer wieder bekomme ich in meiner täglichen Praxis die Frage gestellt, wie das angepasste Selbst überwunden werden kann, um authentisch sein und bleiben zu können. Um eine mögliche Strategie aufzeigen zu können, gehe ich noch einmal kurz darauf ein, was bzw. wer uns daran hindert, authentisch zu sein: Der Anpasser, auch als Ego bekannt. 

Der Anpasser ist eine Überlebensstrategie, die bereits in frühester Kindheit entwickelt wird. Mittels dieses vollkommen unbewussten Mechanismus schaltet das Kind in Momenten emotionaler Überforderung seine Gefühle ab, um sich vor einer inneren Überwältigung zu schützen. Es entwickelt, bildlich gesprochen, eine Art Kontrolleur, der permanent die Umgebung auf Sicherheit scannt. Unbewusst wird die Aufmerksamkeit darauf gerichtet, bestimmte Erwartungen zu erfüllen, die seitens Erwachsener nonverbal-energetisch oder verbal an das Kind herangetragen wurden.

Mit Hilfe dieses Überlebensmechanismus wehrt das Kind überwältigende Gefühle wie existenzielle Angst, Scham oder Ekel ab. Es schützt seine Kern-Energie, indem es den Ausdruck seiner wahren Gefühle verhindert. Die Verdrängung von Gefühlen führt dazu, dass weniger oder im Extremfall gar keine Gefühle mehr gefühlt werden. Die Konsequenz: Du verhältst dich nicht mehr authentisch, nicht mehr echt, sondern angepasst, um vermuteten oder tatsächlichen Konflikten und der damit verbundenen Angst vor emotionalem Schmerz aus dem Weg zu gehen.

Verdeutlicht am Beispiel der „nett und brav“-Falle, ist der Teil von dir, der sich in bestimmten Situationen nett und brav verhält, dein Angepasstes Selbst. Der Teil, der erkennt, dass du angepasst reagierst, ist dein Erwachsenen-Ich. Es ist wichtig, diese beiden Instanzen in sich selbst unterscheiden zu können. Denn nur der Erwachsene, der die kindliche Anpassung erkennt, kann das Muster verändern und nach und nach wieder authentisch sein.

In einem früheren Beitrag habe ich mich schon intensiv mit dem Angepassten Selbst und seinen wichtigsten Merkmalen auseinandergesetzt. Wenn du noch unsicher bist, ob du in einem angepassten Verhaltensmuster verharrst, findest du dort hilfreiche Anhaltspunkte und Erläuterungen.

Der Anpasser - eine Überlebensstrategie aus frühester Kindheit - Saskia John

Authentisch sein – 6 Schritte zur Überwindung deines Angepassten Selbst

1. Selbstreflexion und Bewusstwerdung

Die gute Nachricht: Es ist in jedem Alter möglich, die Anpassung zu erkennen und wieder authentisch sein zu können. Der erste Schritt zur Überwindung deines Angepassten Selbst besteht darin, dir durch Selbstreflexion deiner Verhaltensmuster bewusst zu werden, die zugrunde liegenden Ängste, Überzeugungen und den Nutzen der Anpassung zu erkennen und zu verstehen. Dieses Verständnis und die Klarheit deines Erwachsenen-Ich bildet die Grundlage, um aus deinen eingefahrenen Verhaltensmustern auszubrechen.

Nimm dir also Zeit für dich, um deine eigenen Gedanken, Verhaltensmuster und Glaubenssätze zu reflektieren. Du kannst dir folgende Fragen stellen:

• Warum passe ich mich an?
• Welche Ängste und Überzeugungen stehen hinter meiner Anpassung?
• Welchen Nutzen habe ich von der Anpassung? Was bringt mir dieses Verhalten?

Um die verborgenen Motive deiner Anpassung ans Licht zu bringen, ist es wichtig, ehrlich in dich selbst bis auf den Grund zu schauen. So können die tiefliegenden unerfüllten Bedürfnisse und daraus folgende Ängste erkannt und benannt werden, die hinter dem angepassten Verhalten stehen. Gehe also gerne noch einen Schritt weiter mit diesen Fragen:

• Möchte ich Ärger vermeiden?
• Möchte ich mir Zugehörigkeit und Wohlwollen der anderen sichern?
• Habe ich Angst vor Ablehnung?

Alles, was dir einmal bewusst geworden ist, bleibt dir auch bewusst. Wenn du Sorge haben solltest, deine Erkenntnisse wieder zu vergessen, dann notiere sie dir.

Hast du erkannt, dass du in alten Mustern verharrst, die in deiner Kindheit wichtig, jedoch heute im Erwachsenenalter obsolet sind, dann ist der wichtigste Schritt bereits getan und deine Rückreise zu deinem Authentischen Selbst hat bereits begonnen. Du bist auf dem Weg zurück in die Flussmitte, wo du dich ganz einfach dem Strom des Großen Ganzen überlassen und hingeben kannst.

Authentisch sein lernen - Verhaltensmuster und Glaubenssätze reflektieren - Saskia John

2. Liebevoller Umgang mit Wiederholungsrunden, die du drehst

Der Prozess, um alte Verhaltensmuster zu durchbrechen, verläuft in drei Schritten:

1. Muster erkennen
2. Muster durchbrechen
3. Muster nachhaltig wandeln

Du hast die größte Hürde, das Bewusstwerden deiner unauthentischen Verhaltensweisen, bereits genommen und fragst dich nun, wie du dieses Verhalten ändern kannst? Ein liebevoller und geduldiger Umgang mit dir selbst ist der nächste Schritt.

Dein angepasstes Verhalten hat sich über lange Zeit in dir manifestiert. Du wirst bewusst oder unbewusst wiederholt damit konfrontiert werden, wenn sich beispielsweise Familienmitglieder, Freunde, Partner oder Kinder noch in den gewohnten alten Mustern bewegen.

Bringe wieder und wieder Verständnis und Geduld für dich selbst auf und gib der Veränderung in dir Zeit und Raum. So kannst du deine Verhaltensmuster mit der Zeit nachhaltig ändern.

Verurteile dich nicht dafür, wenn du das, was du dir wünschst, nicht gleich von Anfang an mit aller Konsequenz durchsetzen kannst. Das ist absolut normal und kein Rückschritt. Aus jeder Wiederholungsrunde wirst du lernen und das neu Erlernte vielleicht schon beim nächsten Mal spürbar für dich umsetzen und mehr authentisch sein können.

Die Wiederholungen finden statt, wenn du etwas noch nicht ganz erkannt und verinnerlicht hast. Sie sind wie eine Prüfung, die es zu bestehen gilt. Du kannst nichts “falsch” machen. Dein angepasstes Verhalten wird dir auf geniale Weise immer wieder vorgesetzt, bis du es tief erkannt, verstanden und du dein gewünschtes Verhalten “im Schlaf” abrufen hast. So dienen die Wiederholungsschleifen deinem Herzenswunsch nach authentisch sein.

3. Grenzen setzen und kommunizieren

Um deinem Wunsch, authentisch sein zu können, Stück für Stück näher zu kommen, ist es wichtig, dass du deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche anerkennst und sie auch nach außen vertrittst und kommunizierst. Setze klare Grenzen und teile deinem Gegenüber nachvollziehbar und respektvoll mit, was du (jetzt anders) brauchst oder nicht (mehr) wünschst.

Zu Beginn kann sich dein neues Verhalten herausfordernd und ungewohnt anfühlen. Je öfter du dich darin übst, deine Wünsche und Bedürfnisse nach außen deutlich zu machen und zu vertreten, desto leichter und intuitiver wird es sich für dich anfühlen.

Üben, üben, üben. So heißt in dieser Phase das Zauberwort.

Sollte es nicht immer gleich gelingen, ist dies völlig normal. Erinnere dich dann wieder an den liebevollen Umgang mit dir selbst und daran, dass die Wiederholungen einen Sinn haben. Selbst dann, wenn wir das nicht (gleich) erkennen. 

Authentisches Selbst - Bedürfnisse und Wünsche nach außen kommunizieren - Saskia John

4. Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz

Du bist dir über den inneren Konflikt zwischen deinen erwachsenen Zielen und Wünschen und den unerfüllten kindlichen Bedürfnissen sowie dem daraus resultierenden angepassten Verhalten bewusst geworden.

Beginne nun, gut für dein eigenes Wohlbefinden zu sorgen und nimm dir ganz bewusst Zeit nur für dich. Finde Aktivitäten und Praktiken, die dir Freude bereiten und die dich wieder mehr zu dir selbst führen. So können sich dein Inneres Kind und dein Erwachsenen-Ich tiefer und nachhaltiger miteinander verbinden. Erlaube dir auch, dich selbst anzunehmen, so wie du bist, mit allen Ecken und Kanten. Sie gehören zu dir.

Mit liebevoller und geduldiger Selbstfürsorge wirst du dich selbst besser kennen lernen und auf deine Wünsche und Bedürfnisse eingehen können. Selbstfürsorge ist ein weiterer bedeutender Begleiter auf deiner inneren Reise zu deinem Authentischen Selbst. Auch sie will erlernt werden und kommt nicht von heute auf morgen.

Freue dich über jedes kleine bisschen authentisch sein, über jeden Fortschritt, den du machst, egal, wie klein er erscheint. Weder die Größe des Schrittes noch die Geschwindigkeit sind für die Wandlung von konditionierten Verhaltensmustern entscheidend. Sondern, dass du einfach gehst. Und zwar in DEINEM Tempo.

5. Zeit und Geduld

Ich wiederhole immer wieder, dass der Veränderungsprozess in dir Zeit und Geduld erfordert.

Stelle dir vor, du gehst täglich den gleichen Pfad entlang zu einer Lichtung. Eines Tages möchtest du jedoch einen dir unbekannten, noch zugewachsenen und undurchsichtigen Weg nehmen. Was wird mehr Energie und Zeit benötigen?

Richtig. Der dir noch unbekannte Weg.

Wenn du dir realistische Ziele setzt, dich nicht überforderst und auch kleine Veränderungen als vollen Erfolg verbuchst, wirst du Schritt für Schritt deinen Zielen näherkommen. Nutze vermeintliche Rückschläge als weitere Übung, die dich in deiner Kompetenz wachsen lässt. Feiere auch den kleinsten Fortschritt! Jede Erfahrung wird dir helfen, deinen authentischen Selbstausdruck zu finden. Du wirst sehen: Mit der Zeit wirst du immer mehr authentisch sein. Quasi als Nebenprodukt deiner inneren Veränderung.

Authentisch sein lernen - Wiederholungsschleifen sind keine Rückschritte - Saskia John

6. Authentisch sein mit professioneller Unterstützung

Nicht immer gelingt es einem allein, einen gefühlt lebendigen Zugang zum eigenen Unterbewusstsein zu bekommen, die eigenen Muster zu erkennen und diese aktiv zu ändern. Professionelle therapeutische Unterstützung hat auch mir sehr geholfen, meinem Authentischen Selbst näher zu kommen.

Ein Therapeut oder Coach hat die Fähigkeit, unbewusste Verhaltensmuster schneller zu erkennen und auf eine einfühlsame Weise darauf hinzuweisen. Mithilfe von professioneller Unterstützung lernst du, wie du dich von alten Mustern löst und Platz für Neues schaffst. Schritt für Schritt. Ein professioneller Begleiter ist wie ein erfahrener Tauchlehrer, der die Gefahren und Irrwege in den Tiefen des Ozeans kennt und dir Orientierung bietet.

Fazit – den Anpassungsmodus hinter dir lassen

Deine inneren Muster und dein angepasstes Verhalten sind tief in dir verwurzelt und können nicht über Nacht verschwinden. Wenn du beherzigst, dass Veränderung Zeit und Geduld braucht und scheinbare Warte- oder Wiederholungsschleifen zum inneren Wandlungsprozess dazugehören, dann bist du auf einem guten Weg, dich wieder selbst zu entdecken und mehr authentisch sein zu können. Gehe liebevoll mit dir um und akzeptiere dich – so, wie du bist.

Die Reise in dein Inneres ist wie das Abtauchen in die Tiefe des Ozeans. Es erfordert Übung und Anleitung. Mit jedem Schritt, den du machst, kommst du deinem authentischen Selbst näher.

Du bist nicht allein auf dieser Reise. Millionen andere Menschen sind auf dem gleichen Weg. Übe dich darin, geduldig mit dir selbst zu sein und erlaube dir, zu wachsen und dich zu verändern. Die Kraft dazu ist in jedem Menschen vorhanden, alte Muster zu durchbrechen und die wahre Authentizität zu leben.

Möchtest du von mir persönlich noch hilfreiche Tipps bekommen? Dann kannst du dir gerne ergänzend noch mein Video “GEFANGEN in der ‘NETT & BRAV’-Falle: Wie du dich selbst befreien kannst” ansehen: 

Inhalt

Saskia John

Über die Autorin:

Saskia John wurde in der ehemaligen DDR geboren und studierte dort Veterinärmedizin. Nach der Wende absolvierte sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Seit 1994 arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis. Sie unterstützt Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Heilung und spirituellem Wachstum.
Dabei greift sie auf langjährige Erfahrung in der Trauma Heilung, Inneren-Kind-Arbeit und in der Begleitung von Dunkelretreat-Prozessen zurück. Ihre Arbeit ist geprägt von Reisen nach China und Japan, die sie mit fernöstlichen Heilmethoden in Berührung kommen lassen.
Das Dunkelretreat ist ihr Herzens- und Forschungsprojekt. Sie selbst verbrachte insgesamt 62 Tage in absoluter Dunkelheit. „26 Tage Dunkelheit – Ein Bewusstseins-Experiment“ ist ihr zweites Buch.

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