Einführung
Die Auseinandersetzung mit Ängsten ist ein zentraler Bestandteil unseres Lebens. Ob Existenzangst, Verlustangst oder andere Formen – Ängste tauchen immer wieder in unserem Leben auf. Die Fähigkeit, Werkzeuge und Methoden zur Auflösung dieser Ängste zu besitzen, ist von unschätzbarem Wert.
In diesem Beitrag gehe ich den Ursachen der Angst auf den Grund und gebe hilfreiche Praxistipps zur Angstbewältigung in unterschiedlichen Situationen.
Die Wurzeln der Angst verstehen
Viele unserer Ängste sind in unserer Kindheit entstanden. Wir haben sie verdrängt, als wir klein und emotional überfordert waren und unsere Bedürfnisse nach Sicherheit, Geborgenheit und Verständnis nicht ausreichend erfüllt werden konnten. Oder wir haben die unverarbeiteten Gefühle unserer Eltern oder Großeltern unbewusst übernommen. Daher tragen wir in uns nicht geheilte emotionale Wunden.
Obwohl die Angst weiterhin in uns existiert, wird sie meistens nicht mehr bewusst wahrgenommen. Ängste, die später im Erwachsenenalter plötzlich in Bezug auf bestimmte Situationen auftreten, werden dann als spezifische Phobien bezeichnet, wie z.B.
– Flugangst,
– Angst in Fahrstühlen,
– Angst vor Spinnen,
– Angst vor dem Autofahren.
Diese an der Oberfläche so unterschiedlich erscheinenden Ängste sind jedoch keine neuen Ängste. Sie sind auf verdrängte Ängste zurückzuführen. Es ist die gleiche Angst, die in Trigger-Momenten aus der Verdrängung wieder auftaucht und sich dann an Situationen oder Menschen in der Gegenwart heftet.
Es ist wichtig, diese Verbindungen, den roten Faden der Angst, fühlend zu verstehen, um effektiv damit umgehen und tiefliegende Ängste lösen zu können.
„Verdrängte Angst ist nicht weg, sondern lediglich in das Unterbewusstsein verschoben.“
Entstehung von „Worst-Case“ Szenarien
Angst bringt Angstgedanken hervor und die Angstgedanken wiederum befeuern unsere Angst. Ein Teufelskreislauf. So passiert es uns häufig, wenn sich aus unserer Angst heraus sogenannte „Worst-Case“-Szenarien entwickeln. Wir steigern uns in eine bestimmte Situation hinein und stellen uns das schlimmstmögliche Ereignis vor, das eintreten könnte, z.B. einen Flugzeugabsturz oder einen Autounfall. Die Vorstellungen befeuern die Angst und erzeugen so ein noch stärkeres Angstgefühl, das sich bis zur Panik und völligen Handlungsunfähigkeit steigern kann.
Das geschieht allein aufgrund unserer Gedanken und Vorstellungen!
Mit der Realität haben diese Szenarien nichts zu tun.
Welche hilfreichen Maßnahmen es gibt, diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen, erläutere ich im Abschnitt Angstbewältigung – Praktische Tipps.
In meinem Video „Angstbewältigung – Umgang mit „Worst-Case“-Szenarien“ gehe ich am Beispiel der Flugangst tiefer darauf ein, welche wirksamen Methoden es gibt, um aus der Angstspirale herauszukommen.
Angstbewältigung – Praktische Tipps
Sich der Angst bewusst werden
Ängste, insbesondere spezifische Ängste wie z. B. die Flugangst, haben oft tiefer liegende Ursachen, die im Unterbewusstsein verankert sind.
Angstbewältigung beginnt damit, dass ich mir der Angst bewusst werde und verstehe, dass es nicht um die spezielle Situation an sich geht, sondern um das Gefühl, um die Angst selbst. Schon diese Erkenntnis kann bereits zur Verringerung oder auch zur Auflösung der Angst führen.
In meiner Arbeit als Therapeutin erlebe ich immer wieder, wie das Verständnis und das warme Mitgefühl für den Teil in uns, der Angst hat, zu einer spürbaren Beruhigung führt.
Dem Inneren Kind Zuwendung schenken
Die Idee ist einfach: Als Erwachsener dem Inneren Kind liebevolle Zuwendung zu geben. Das schafft für das Innere Kind einen sicheren Raum, in den es sich hinein entspannen kann, wenn es sich darin sicher fühlt.
Infolgedessen wird es dem ängstlichen Kind möglicher, aus seiner Box, in die es sich in der Angst zurückgezogen hat, wieder herauszukommen und in Verbindung zu treten.
Was passiert, wenn wir das tun?
Durch die liebevolle Zuwendung zum Inneren Kind wird die Aufmerksamkeit von der äußeren Angstquelle abgezogen, wodurch der Teufelskreislauf zwischen Angst und Angstgedanken kraftvoll unterbrochen wird.
Wichtig ist, dass die Zuwendung aus dem Herzen heraus geschieht – statt kritisch, nörgelnd oder die Angst weghaben wollend.
Es empfiehlt sich, ein Kissen oder eine Decke in den Arm zu nehmen, die dein Inneres Kind symbolisiert. Die Angst wird so für das Erwachsenen-Ich greifbarer und ansprechbar, ohne dass du in die Angst hineinrutscht und selbst nur noch die Angst bist.
Wenn es dir schwerfällt, dir das vorzustellen, ist vielleicht mein Video hilfreich, dass ich dazu gemacht habe:
Panik und Angst? 5 helfende Tipps, wie du aus der Angst und Panik herauskommst
Das Video ist hilfreich, wenn du in einer starken Angst bist und nicht weißt, was du tun kannst, um aus der Angstspirale wieder herauszukommen.
Es braucht also für diese innere Arbeit ein stabiles, liebevolles erwachsenes Gegenüber, das wie eine liebende Mutter oder ein liebender Vater auf das ängstliche Kind eingehen und ihm Halt und Sicherheit geben kann. Der Fokus ist dann auf Halt und Sicherheit ausgerichtet, statt auf die Angstquelle. Das hat eine stark rückversichernde Wirkung auf das innere (wie auch auf ein äußeres) Kind, wodurch die Angst im Kind wieder herunterfahren kann.
Diese Praxis der Selbst-Liebe gibt viel Sicherheit, wenn du einmal erfahren hast, dass du dich damit in Momenten starker Angst beruhigen kannst. Du kannst diese Praxis für alle Momente im Leben nutzen, wo, aus welchen Gründen auch immer, Angst (egal welche) wieder auftaucht.
„Durch Selbstliebe können wir unsere
zu Eis gefrorene Angst auftauen.“
Der Schlüssel liegt also darin, dein Inneres Kind ernst zu nehmen, sich in seine Welt einzufühlen, ihm Raum zu geben und ihm mit Verständnis zu begegnen.
Der Perspektivenwechsel bringt dich von der äußeren Angst-Projektions-Quelle zurück zu dir und zu den Gefühlen, die du als Kind verdrängt hattest. Du erhältst dadurch viele Erkenntnisse über dich. Der Richtungswechsel ermöglicht, dass die Gedanken zur Ruhe kommen können und sich das Angstgefühl legt.
Für diesen inneren Dialog erfordert es die Klarheit und Kompetenz eines Erwachsenen. Hier kann dir auch mein Beitrag zur Erwachsenen-Energie oder mein Video Kennzeichen von Erwachsenen-Energie und unbewussten Verhaltensmustern weiterhelfen.
Verneinungen vermeiden
Es gibt einen Satz, den man in einer Angstsituation weder zu sich selbst noch zu jemand anderem sagen sollte:
»Du brauchst (Ich brauche) doch keine Angst zu haben!«
Diese Aussage ist immer kontraproduktiv – egal, ob man mit seinem Inneren Kind spricht oder mit einer anderen Person.
Warum ist das so?
• Die Angst ist bereits da. Etwas »nicht zu brauchen«, kommt einem völligen Missverständnis gleich.
• Unser Unterbewusstsein versteht keine Verneinung.
• In der Verneinung der Angst ist die Aufmerksamkeit auf die Angst gerichtet, was sie nur verstärkt, statt abbaut.
• Eine Erwartungshaltung an eine Person zu haben, die in einer emotionalen Notsituation ist, macht keinen Sinn! Die Person ist sowohl emotional als auch mit den physischen Symptomen der Angst hochgradig überfordert. Jede weitere Aufforderung und Erwartung macht es für den Betroffenen nur noch schlimmer.
»Erste-Hilfe-Koffer« bei Angst und Panik – Fünf wirksame Tipps zur Sofortmaßnahme
Kurzfristig kannst du fünf konkrete Dinge tun, wenn du in eine Angstspirale gerätst. Sie helfen dir, dich wieder zu beruhigen und zu entspannen:
1. Gedanken-Stopp: Unterbrich das Gedankenkarussell, das sich um die Angst dreht, mit einem entschiedenen „STOPP!“.
2. Realitätscheck: Hole dich in die Gegenwart zurück.
3. Erde dich mit der Gehmeditation. Ausführliche Informationen, wie du eine Gehmeditation durchführen kannst, findest du hier:
4. Mit der Angst reden: Nimm ein Kissen oder eine zusammengerollte Decke als Symbol deiner Angst – und rede mit der Angst wie mit einem kleinen Kind.
5. Bewusst Atmen: Konzentriere dich ganz bewusst auf deine Ein-und Ausatmung und halte deinen Fokus auf der Atmung.
In meinem Artikel in der Zeitschrift „Tattva Viveka“ findest du ausführlichere Informationen über die Anwendung der fünf Sofortmaßnahmen. Hier geht es zum vollständigen Beitrag.
Ängste nachhaltig transformieren: Warum es sich lohnt, den ersten Schritt zu tun
Es lohnt sich immer, an einer langfristigen Strategie zur Angstbewältigung zu arbeiten. Eine tiefliegende Angst löst sich meistens nicht von selbst auf. Stattdessen neigen wir in der Angst dazu, sie im Laufe der Zeit auf immer mehr Bereiche unseres Lebens zu projizieren.
Dadurch erscheint es mit der Zeit so, als ob es immer mehr Angst wird. Als ob es immer mehr Bereiche werden, vor denen wir Angst haben. Und doch ist es einfach immer nur Angst. Mal mehr und mal weniger intensiv. Es gibt nicht verschiedene Ängste. Es gibt nur Angst, die in verschiedenen Situationen auftaucht oder die wir auf verschiedene Menschen und Situationen projizieren.
Das führt dazu, dass unser Bewegungsradius im Leben immer kleiner wird, da wir uns immer weniger erlauben und und immer mehr zurückhalten.
Die Überwindung der Angst führt raus aus der einengenden Spirale. Hin zu mehr Lebendigkeit, mehr Präsenz und zu einem volleren Genuss des Lebens. Familienaufstellungen, Dunkelretreats und die Arbeit mit dem Inneren Kind, begleitet durch professionelle therapeutische Unterstützung, können dir dabei helfen, deine Reise zur Angstbewältigung anzutreten und nachhaltig zu meistern. Auch hier gilt: Es ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und viel Mitgefühl mit sich selbst erfordert.
Es gibt keine verschiedenen Ängste,
sondern nur Angst in verschiedenen Situationen.
Fazit – Angstbewältigung für ein erfülltes Leben
Die Wurzeln der Angst reichen bis in unsere Kindheit oder weiter zurück.
In das Unterbewusstsein verdrängte Angst beeinflusst unser Denken und Handeln als Erwachsene. Erkennen wir das nicht, taucht die Angst in den verschiedensten Situationen auf, stört unsere Beziehungen in der Gegenwart und kann unseren Bewegungsradius immer mehr einschränken.
Worst-Case-Szenarien im Kopf verstärken den Teufelskreislauf zwischen den Angstgedanken und der Angst. Um diesen zu durchbrechen, ist die Zuwendung des erwachsenen Ichs zum ängstlichen inneren Kind von großer Bedeutung.
Es ist nie zu spät, Hilfe in Anspruch zu nehmen und den Weg zu einem erfüllten und angstbefreiten Leben zu beschreiten.
Hilfreiche Ressourcen zur Angstbewältigung:
Playlist: Hilfe bei Angst und Panik
Playlist: Meditation
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