Einführung
Hast du dich schon einmal gefragt, warum du manche Dinge tust oder glaubst, ohne genau zu wissen, warum? Selbst wenn wir es nicht immer bewusst wahrnehmen, sind wir von klein auf von den Überzeugungen und Verhaltensweisen unserer Umgebung geprägt.
In diesem Artikel gehe ich darauf ein, wie Kinder die Botschaften der Erwachsenen aus ihrer Umgebung in sich aufnehmen. Diese werden Introjekte genannt.
Die Kinder entwickeln in der Interaktion mit den realen Personen und den verinnerlichten Botschaften (Introjekte) durch einen unbewussten Dialog und die kindliche Interpretation eines Sachverhaltes sowohl positive als auch negative Glaubenssätze, die ihr Verhalten und ihre Emotionen unmittelbar (und später im Leben) maßgeblich beeinflussen.
Was ist ein Introjekt?
Introjekte sind internalisierte Überzeugungen, Werte und Verhaltensweisen, die Kinder unbewusst von wichtigen Bezugspersonen wie Eltern, Lehrern und anderen Erwachsenen übernehmen.
Diese Botschaften, die sowohl positiv als auch negativ sein können, werden von Kindern ungefiltert ins Innere aufgenommen und haben einen bedeutenden Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihr emotionales Wohlbefinden.
Wie entsteht ein Introjekt?
Ein kleines Kind wächst in seinem Umfeld mit bestimmten Erwachsenen auf. Die möglichen Bezugspersonen, die Einfluss auf die kindliche Entwicklung nehmen können, habe ich in der nachfolgenden Grafik veranschaulicht:
Die Erwachsenen haben Überzeugungen, Sichtweisen auf die Welt, Werte und bestimmte Verhaltensweisen, die das Kind im Laufe der Zeit in das eigene Denken und Handeln aufnimmt.
Mit dem täglichen Hören der Worte nimmt das Baby oder Kleinkind sowohl die Inhalte als auch ihre Energie – so, wie sie von den erwachsenen Bezugspersonen gesprochen werden -, unbewusst in sich auf.
Ist das Kind älter, spricht es das Gehörte genau nach, ohne zunächst den Sinn der Worte zu erfassen. Das Verstehen ist erst viel später möglich, wenn sich dem Kind durch stete Wiederholung die Bedeutung der Worte erschließt.
Kinder internalisieren also die Überzeugungen, Werte, energetischen und verbalen Botschaften und die Verhaltensweisen ihrer Eltern und der anderen Bezugspersonen. Und ebenso die Normen, Werte und Erwartungen der Gesellschaft oder Kultur.
Ältere Kinder nehmen auch Inhalte aus Büchern und Filmen ins Innere auf.
All diese verinnerlichten Botschaften und Verhaltensweisen prägen die kindliche Persönlichkeitsentwicklung.
Beispiele internalisierter Introjekt-Botschaften
Negative Introjekte (Botschaften)
- Du wirst es nie schaffen.
- Du kannst aber auch gar nichts!
- Du machst das nicht gut genug.
- Du bist ein Versager!
- Du bist so unordentlich!
- Ohne Fleiß, kein Preis!
- Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!
- Wenn du nicht lieb bist, gibt dir der Weihnachtsmann die Rute!
- Lass mich in Ruhe!
- Wegen dir habe ich Kopfschmerzen!
- Dich kann man aber auch nichts allein machen lassen!
- Warum dauert das so lange?
- Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?
- Wenn ich nicht alles allein mache, wird das nichts!
- Wer soll mir denn sonst helfen, wenn nicht du?
- Dein Eis musst du dir erst verdienen!
Positive Introjekte (Botschaften)
- Ich vertraue dir.
- Ich bin für dich da und stehe immer hinter dir, egal was passiert.
- Ich unterstütze dich, wann immer du Hilfe brauchst.
- Du bist wertvoll und einzigartig, genau so, wie du bist.
- Ich bin stolz darauf, wer du bist und was du schon für dich erreicht hast.
- Deine Meinung und deine Gefühle sind wichtig und werden respektiert.
- Fehler können passieren. Du kannst aus ihnen lernen.
- Steh für dich ein, auch wenn andere das anders sehen.
- Erfülle dir deine Wünsche in deinem Leben. Du hast meinen Segen.
- Du bist weder schuld noch verantwortlich für meine Gefühle.
Kritische Introjekte (Urteile, Bewertungen)
- Warum hast du das nicht besser gemacht?
- Du bist viel zu faul, um erfolgreich zu sein!
- Dein Bruder kann das viel besser als du. Warum kannst du nicht so sein wie er?
- Ein Mädchen klettert nicht auf Bäume!
- Ein Junge weint nicht. Sei tapfer! Ist doch nicht so schlimm!
- Du musst das doch schon können!
- Du bist faul und unmotiviert.
- Du bist nicht klug genug.
- Du bist zu sensibel und zu emotional!
- Warum kannst du nicht einfach normal sein?
Unbewusste Prägung – Fremdgedanken werden zu eigenem Gedankengut
Kleine Kinder können weder bewusst entscheiden noch sortieren, erkennen, analysieren, differenzieren oder unterscheiden, was sie in sich aufnehmen wollen, und was nicht.
Daher geht alles ungefiltert und unzensiert in sie hinein. Positives wie Belastendes. Das Kind speichert alles unbewusst in sich ab und identifiziert sich damit.
Die fremden Überzeugungen, Werte, Botschaften und Urteile werden also zum eigenen Gedankengut, ohne dass dem Kind bewusst ist, dass es fremde Inhalte sind.
Das Kind glaubt diesen Botschaften und reagiert darauf mit Emotionen und Körperempfindungen. Und zwar so lange, bis es diese selbst überprüfen und durch eigene Erkenntnis und Logik entschärfen kann.
Diese Fremdgedanken werden im Erwachsenen-Alter oft als Stimmen im Kopf wahrgenommen oder bezeichnet.
Kindliches Denken und Schlussfolgerungen
Sobald das Kind sprechen und selbst denken kann, zieht es aus den
verinnerlichten Inhalten auch seine eigenen kindlichen Schlussfolgerungen.
So entstehen im Kind Glaubenssätze und positive wie negative Überzeugungen, die im Boden dieser internalisierten Botschaften gründen, sich darauf beziehen und immer wieder die gleichen Emotionen und Körperempfindungen auslösen. Der ganze Prozess ist fest im Gehirn verankert.
Mögliche Glaubenssätze
Positive Überzeugungen
- Ich bin wertvoll und liebenswert.
- Ich kann alle meine Ziele erreichen.
- Ich schaffe das, ich habe die Fähigkeit dazu.
- Ich vertraue mir/dir/dem Leben.
- Ich bin ein toller Mensch!
- Ich erfülle mir meine Wünsche in meinem Leben.
Negative Überzeugungen
- Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden.
- Ich werde nie erfolgreich sein, egal was ich tue.
- Immer wenn es gerade schön oder leicht ist, wird es danach wieder schwer.
- Ich darf es einfach nicht schön oder leicht haben.
- Ich werde nie den Job bekommen, den ich wirklich möchte, also lohnt es sich nicht, es zu versuchen.
- Die anderen sind sowieso besser als ich.
- Ich kann das nicht.
- Ich darf das nicht.
- Das Eis habe ich mir jetzt verdient.
Folgen der Internalisierung
Das Nach-Innen-Nehmen oder Internalisieren meint also den Prozess, durch den Informationen und energetische Botschaften (z. B. Körpersprache, Worte, Klang der Stimme, Augenausdruck) von außen in das Innere des Kindes gelangen und dort zu einem integralen Bestandteil der eigenen Persönlichkeit werden.
Das Kind identifiziert sich mit dem, was es in sich aufgenommen hat und glaubt später, wenn es erwachsen ist, dass es diese Persönlichkeit ist, einfach weil es sich nicht anders kennt.
Die Internalisierung kann positive wie negative Auswirkungen auf das Verhalten und die Einstellungen des Kindes haben.
Die stärksten Introjekte sind die der Herkunftsfamilie, da das Kind viele Jahre die verbalen und non-verbalen Botschaften, die in der Familie vermittelt werden, in sich aufgenommen und mit eigenen Gedanken, Schlussfolgerungen und Gefühlen gekoppelt hat.
D. h., das Kind reagiert auf die verinnerlichten mentalen und energetischen Fremdbotschaften mit Gedanken, Gefühlen und einem bestimmten Verhalten.
Wenn sich dieser Vorgang viele Jahre wiederholt, werden die verinnerlichten fremden Stimmen und die damit gekoppelten Gefühle und das Verhalten des Kindes immer stärker im Gehirn verkabelt, bis der Vorgang automatisiert abläuft. D.h., das Kind reagiert unbewusst und automatisch mit den immer gleichen Gefühlen und dem immer gleichen Verhalten – selbst dann, wenn es nur vermutet, dass es beispielsweise „wieder abgelehnt“ wird. Es projiziert den Vorgang also in die noch nicht vorhandene Zukunft.
Das Kind kann diese Kopplung von Fremdgedanken und eigenen Gedanken und Gefühlen nicht unterbrechen, da alles tief im Gehirn eingeprägt ist und der Vorgang dem Kind zudem unbewusst ist.
Das bedeutet konkret: Es kann die Fremdgedanken nicht einfach wieder löschen. Ebenso kann es die durch die Fremdgedanken ausgelösten Gefühle, die eigenen Interpretationen und das damit verbundene Verhalten weder steuern noch beinhalten.
Das Kind kann sich aber, wenn die ausgelösten Gefühle zu stark sind, emotional regulieren, indem es die Fremdgedanken, eigenen Gefühle und Interpretationen verdrängt.
Wird das Verdrängte später getriggert, kommen alles wieder an die Oberfläche und es kommt zu emotionalen Über- oder Unterreaktionen.
ALLES, was wir je erlebt haben, ist in unserem Unterbewusstsein abgespeichert. Und oft kommen eines Tages Wahrheiten und Geheimnisse wieder ans Licht, von denen wir nicht wussten, dass sie überhaupt in uns existieren.
Fazit – Introjekte identifizieren und transformieren
Introjekte können also einerseits dazu dienen, dem Kind innere Stabilität und Orientierung zu bieten.
Sie können jedoch auch sehr herausfordernd sein, insbesondere wenn dysfunktionale Überzeugungen oder schädliche Verhaltensweisen internalisiert werden. Diese Introjekte können das psychische und physische Wohlbefinden stark beeinträchtigen.
In solchen Fällen ist es meiner Erfahrung nach sehr hilfreich, die Introjekte zu identifizieren und sie durch therapeutische Interventionen, Selbstreflektion, Meditation und Kontemplation zu transformieren, um ihre negativen Auswirkungen zu minimieren und gesunde Denk- und Verhaltensmuster zu fördern.
Indem wir uns der Existenz der Introjekte bewusst sind und sie aktiv verändern, können wir viel zu unserem inneren Wachstum beitragen und unser Wohlbefinden zu unseren Gunsten beeinflussen.
Wenn du also das Gefühl haben solltest, dass Introjekte dein Leben belasten und du nicht weißt, wie du sie ändern kannst, zögere nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gibt viele Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten, die dir auf dem Weg zur Heilung zur Verfügung stehen.
Du möchtest dein Wissen vertiefen? Dann schaue dir gerne begleitend mein Video Was ist ein Introjekt und wie entsteht es an: