„Sei tapfer!“: Wie man seine Ängste überwindet und entschlossen handelt

Sei tapfer - Saskia John

Inhalt

Einführung  

„Sei tapfer“! Diese Aussage kann je nach Kontext, Tonfall und der Beziehung zwischen den beteiligten Personen unterschiedlich aufgefasst werden – als Aufforderung zur Unterdrückung von Gefühlen, als Zeichen mangelnden Verständnisses, als allgemeine Ermutigung oder als Ansporn zur Selbstbeherrschung.

In diesem Beitrag illustriere ich diese Interpretationen anhand eines Praxisbeispiels einer Familie, die sich um ein krebskrankes Familienmitglied kümmert.

Dabei zeige ich Lösungsansätze für effektive Kommunikation, Grenzsetzung, die Suche nach Unterstützung und Selbstfürsorge auf. Zudem weise ich auf die Bedeutung von Mitgefühl und einen offenen Dialog zwischen den Familienmitgliedern hin, um die Herausforderungen, die mit solchen Situationen einhergehen, besser bewältigen zu können.

Die Aufforderung "Sei tapfer!" kann je nach Kontext und Tonfall unterschiedliche Bedeutungen haben. - Saskia John

Was bedeutet „Tapferkeit“?

Das Wort tapfer bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person, in schwierigen oder gefährlichen Situationen mutig und entschlossen zu handeln, ohne von Angst oder Unsicherheit überwältigt zu werden.

Tapferkeit beinhaltet auch die Bereitschaft, starke Emotionen fühlen zu können (und zu wollen) und diese zu bewältigen.

Tapfer bedeutet auch, Hindernisse und Herausforderungen im Leben anzunehmen und sich ihnen zu stellen, selbst, wenn sie beängstigend oder belastend sind.

Tapferkeit bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern trotz Angst zu handeln und das zu tun, was stimmig oder notwendig ist. Z. B., indem du dir selbst und anderen gegenüber aufrichtig bist, auch wenn es unangenehm oder schwierig ist.

„Sei tapfer!“ – Mögliche implizite Botschaften

Wenn jemand sagt: „Sei tapfer!“, dann hängt die Interpretation dieser Aussage stark vom Kontext, vom Tonfall und der Beziehung zwischen den beteiligten Personen ab.

Daher ist es sehr wichtig, den Kontext zu berücksichtigen und ggf. nachzufragen, um sicherzustellen, dass die beabsichtigte Botschaft wirklich verstanden wurde.

In der Aussage „Sei tapfer!“, können nämlich verschiedene implizite Botschaften mitschwingen, z. B.:

Die Unterdrückung von Gefühlen

Die Person könnte mit der Aussage „Sei tapfer!“ indirekt meinen oder erwarten, dass du deine Emotionen nicht offen zeigen oder sie sogar unterdrücken sollst, unabhängig von dem, was du gerade durchmachst.

Mangel an Verständnis

„Sei tapfer“ kann auch einen Mangel an Verständnis ausdrücken, weil die Person dich nicht versteht und/oder nicht erkennt, wie schwierig die Situation für dich ist.

In dem Fall könnte es sein, dass die Person deine Gefühle und dein Handeln weder verstehen noch berücksichtigen kann und sie dir deshalb z. B. Vorwürfe macht.

Die Aufforderung "Sei tapfer!" kann verschiedene Botschaften implizieren. - Saskia John

Ermutigung

Die Aussage „Sei tapfer“ kann eine allgemeine Ermutigung bedeuten, z. B., eine schwierige Situation mutig und entschlossen anzugehen und sich der Herausforderung zu stellen.

Ermutigung zur Selbstbeherrschung

„Sei tapfer“ kann auch eine konkrete Ermutigung zur Selbstbeherrschung bedeuten, bspw. sich in seinen Handlungen nicht von Emotionen steuern zu lassen, sondern klar und rational zu handeln.

In dem Fall wäre der Wunsch damit verbunden, innerlich ruhig bleiben und weise handeln zu können, auch wenn man sich unsicher oder ängstlich fühlt.

Fallbeispiel aus meinem Praxisalltag

Ausgangssituation

Eine über 80jährige Mutter hat Krebs. Die Schwester der Mutter sagte zur Tochter der Mutter „Sei tapfer!“.

In den Worten hörte die Tochter jedoch kein Mitgefühl für sich heraus, sondern die Angst der Tante um ihre Schwester und die Erwartungshaltung, dass sie sich um ihre Schwester kümmern solle.

Da das in der Tochter Stress verursachte, fragte sie, was sie tun könne.

Interpretation 

In dieser konkreten Situation schien es, dass die Schwester der Mutter unbewusst versuchte, ihre eigene Angst vor dem möglichen Tod ihrer Schwester zu bewältigen, indem sie anderen indirekt über die Aussage „Sei tapfer“ die Verantwortung überträgt, sich um ihre Schwester zu kümmern.

Falls das so sein sollte, wäre dies eine ungesunde Bewältigungsstrategie und könnte zusätzlichen Stress für alle Beteiligten verursachen.

Während des Gespräches mit der Tochter schien es jedoch auch möglich, dass die Tante ihrer Nichte Mut zusprechen wollte, um die Herausforderungen der Pflege der kranken Mutter bewältigen zu können. Vielleicht wollte sie einfach ausdrücken, dass sie stark bleiben möge, auch wenn Ängste und Unsicherheiten mit der Krankheit der Mutter verbunden sind.

Durch unterschiedliche Interpretationen zwischen Sender und Empfänger kann es zu Missverständnissen kommen. - Saskia John

Lösungswege

Um den Sachverhalt zu klären, könnte die Tochter und potenzielle Betreuerin der Mutter Folgendes tun:

Kommunikation 

Die Tochter könnte in die Kommunikation mit ihrer Tante gehen und offen und ehrlich ansprechen, wie sie die Aussage „Sei tapfer!“ verstanden und welche Gefühle das in ihr ausgelöst hat.

Sie könnte ihrer Tante erklären, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um ihre Mutter kümmere, und zugleich auch Unterstützung und Verständnis brauche.

Klare Grenzen setzen

Sie könnte klare Grenzen setzen, indem sie offen ausspricht, was sie tun kann, und was nicht und dass sie auch auf ihre eigenen Bedürfnisse achten muss und sich nicht überfordern darf.

Unterstützung suchen

Die Tochter kann sich Unterstützung suchen, z. B. bei anderen Familienmitgliedern oder Freunden. Sie kann auch mit der Mutter nach professionellen Pflegekräften suchen, um die Belastung zu teilen und sicherzustellen, dass die Mutter die bestmögliche Versorgung erhält.

Selbstfürsorge

Für die Tochter ist eine gute Selbstfürsorge wichtig. Es ist wichtig, dass sie sich Zeit für sich nimmt und sich bei Bedarf Unterstützung bei Therapeuten oder Selbsthilfegruppen holt, um mit den Herausforderungen umzugehen, die sich aus der Pflege eines kranken Familienmitglieds ergeben können.

Ein offener Dialog über die Gefühle und Verständnis für den anderen ist hilfreich für die Lösungsfindung. - Saskia John

Fazit – Offener Dialog als Schlüssel 

Durch die unterschiedliche Interpretation von Aufforderungen wie beispielsweise „Sei tapfer!“ kann es zu erheblichen Missverständnissen zwischen den beteiligten Personen kommen.

Es hat sich meiner Erfahrung nach als sehr hilfreich erwiesen, in einem offenen Dialog Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.

Ebenso ist es wichtig, Mitgefühl für die Ängste und Bewältigungsmechanismen anderer  zu haben, UND zugleich die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu respektieren.

In meinem Video Was bedeutet ‚Sei tapfer‘ wirklich? kannst du begleitend nochmals alle Informationen ansehen: 

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Saskia John

Über die Autorin:

Saskia John wurde in der ehemaligen DDR geboren und studierte dort Veterinärmedizin. Nach der Wende absolvierte sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Seit 1994 arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis. Sie unterstützt Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Heilung und spirituellem Wachstum.
Dabei greift sie auf langjährige Erfahrung in der Trauma Heilung, Inneren-Kind-Arbeit und in der Begleitung von Dunkelretreat-Prozessen zurück. Ihre Arbeit ist geprägt von Reisen nach China und Japan, die sie mit fernöstlichen Heilmethoden in Berührung kommen lassen.
Das Dunkelretreat ist ihr Herzens- und Forschungsprojekt. Sie selbst verbrachte insgesamt 62 Tage in absoluter Dunkelheit. „26 Tage Dunkelheit – Ein Bewusstseins-Experiment“ ist ihr zweites Buch.

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