Einführung
In meiner Arbeit als Therapeutin wurde ich schon oft gefragt, wie das Innere Kind nachbeeltert werden kann, wie die unerfüllten Bedürfnisse des Inneren Kindes nachgenährt werden können.
Das Nachbeeltern des Inneren Kindes ist ein zentraler Schritt auf dem Weg zu emotionaler Heilung und inneren Balance. In diesem Beitrag teile ich wirksame Strategien, wie du als Erwachsener deinem Inneren Kind die Liebe, das Verständnis und die Fürsorge entgegenbringen kannst, die es so dringend braucht, damit
- sich seine Angst abbauen,
- seine emotionalen Wunden heilen,
- es dir (Erwachsenen-Ich) vertrauen,
- aus seinem Rückzugsort hervorkommen
- und sich wieder öffnen kann.
Inneres Kind nachbeeltern – 5 wirksame Strategien
1. Selbstreflexion und Achtsamkeit
Durch eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis können die eigenen Emotionen und Bedürfnisse klarer erkannt werden. Achtsamkeit lässt sich wunderbar und einfach in unseren Alltag als Erwachsener integrieren.
Indem du z. B. täglich meditierst, schulst du nicht nur deine Achtsamkeit, sondern schenkst dir zugleich liebevolle Aufmerksamkeit und erfährst mehr über deinen Innenraum: deine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen. Ich habe hierzu schon einige Videos erstellt, die du sehr gerne nutzen kannst. Besonders ans Herz legen möchte ich dir die Geh-Meditation, die sich mit zunehmender Praxis in den verschiedensten Alltagssituationen anwenden lässt.
Wann immer es dir möglich ist, nimm dir Zeit, um in Ruhe deinen Tag zu reflektieren. Vielleicht gemütlich abends bei einer Tasse Tee auf der Couch? Du kannst dir dabei folgende Fragen stellen und sie so ehrlich, wie es dir nur möglich ist, beantworten:
- Wo war ich heute emotional berührt?
- Was hat mich geärgert?
- Was hat mich traurig gemacht?
- In welchem Moment habe ich Scham gefühlt?
- Wovor habe ich mich geekelt?
- Wann fühlte ich Angst?
- Was war der Punkt in der Situation, wo ich meine innere Mitte verloren habe?
Indem du Antworten auf die Fragen findest, und genau weißt, was für dich nicht gestimmt hat, kannst du mit mehr Erwachsenen-Energie in den inneren (oder äußeren) Dialog gehen und die emotionalen Themen mit der betreffenden Person ansprechen, anstatt sie zu unterdrücken.
In dem du dich konkret mit diesen Fragen und der Person, mit der du die Herausforderung hast, auseinandersetzt, wirst du bemerken, wie du beim nächsten Mal in einer ähnlich schwierigen Situation schon gelassener sein und der Person souveräner begegnen kannst.
2. Pflege gesunder Beziehungen
Soziale Kontakte sind wichtig für unser seelisches Wohlbefinden. Entscheidend ist hierbei, dass du dich mit den Menschen umgibst, wo du ein gutes Bauchgefühl hast, dich verstanden fühlst und vor allem dein Authentisches Selbst leben kannst. Der Kontakt zu solchen Menschen nährt euch beide. Das fühlst du auch hinterher, wenn du wieder zu Hause bist und dich rundherum wohl, leicht und freudig fühlst.
Falls du wiederholt bemerken solltest, dass du dich nach dem Kontakt ausgelaugt und erschöpft fühlst, dann schau als erstes, wie du dazu beigetragen hast.
– Was hättest du anders tun können?
– Hast du Unstimmigkeiten angesprochen – oder heruntergeschluckt?
– Ging es immer nur um den anderen?
– Hast du dich mit deinen Themen ausreichend eingebracht?
– Hast du dir Raum genommen, zu sprechen? Oder warst du nur Zuhörer und hast deine Themen – das, was dich bewegt, berührt und interessiert -, zurückgehalten?
Sobald du für dich klar hast, warum du dich “platt” fühlst, dann hilft oft ein klärendes Gespräch, in welchem du die Dinge offen auf den Tisch legst, die aus deiner Sicht in eurer Beziehung in Schräglage sind.
Beachte beim Gespräch:
– lass alle Vorwürfe, Erwartungen, Forderungen und Erpressungsaussagen (“Wenn du …, dann …”) weg;
– keine du-Botschaften; sprich über dich – deine Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen;
– sprich aus, was du dir anders wünscht, mache konkrete Vorschläge;
– wenn du alles ausgesprochen hast, dann bitte den anderen um seinen Standpunkt zu deinen Aussagen und neuen Ideen;
Sind die Themen, die du ansprechen möchtest, emotional aufgeladen, dann sprich immer nur einen Punkt an, den du klären möchtest (statt 15, weil sich diese in dir schon lange aufgestaut haben. Dass du “sammelst” und die Dinge in dich hineinfrisst, statt sie gleich anzusprechen, wenn sie auftreten, ist nicht das Problem des anderen, sondern deins. Überschüttest du den anderen mit den gesammelten und emotional hoch aufgeladenen Massen, kommt in der Regel nur eine Aufheizung der Situation und Überforderung dabei heraus, doch keine wirkliche Klärung, die für beide Seiten gut ist).
Wenn sich trotz der Klärungsversuche ein Kontakt für dich nicht mehr stimmig anfühlt, dann zieh deine Konsequenzen und schau, ob es an der Zeit ist, deinen Weg ohne den anderen weiterzugehen.
3. Nachnähren durch Kreativität
Kreative Aktivitäten bieten einen kraftvollen Ausdrucksweg für Emotionen. Du kannst dich beispielsweise über
- Tanzen,
- Malen,
- Schreiben und
- Musik
ausdrücken und deine Gefühle verarbeiten. Zudem ist die Selbstexpression eine wundervolle Möglichkeit, andere Menschen zu inspirieren.
Künstlerische Ausdrucksformen können sehr hilfreich dabei sein, das, was in dir steckt, hervorzubringen und sichtbar werden zu lassen. So kannst du dich selbst besser kennen lernen und dich tiefer verstehen.
Mit allem, was deine kreative Energie Positives in dein Leben bringt, kannst du dein Inneres Kind nachbeeltern und unerfüllte Bedürfnisse aus der Kindheit im Nachhinein befriedigen und wandeln.
4. Selbstfürsorge und Entspannung
Selbstfürsorge und Entspannung sind ein wesentlicher Teil auf dem inneren Weg und der Möglichkeit, um dein Inneres Kind nachbeeltern zu können.
Selbstfürsorge heißt, gut für dich und deinen Körper zu sorgen. Deine physischen Bedürfnisse kannst du auf verschiedene Weise erfüllen:
- in der Natur spazieren gehen
- dich deinen Impulsen entsprechend bewegen
- Sport treiben
- ausreichend schlafen
- dich gesund ernähren
Um dich emotional in deinem inneren Gleichgewicht zu halten oder dich dahin zurückzubringen, indem du inneren wie äußeren Stress abbaust, kannst du Entspannungstechniken wie Meditation, autogenes Training, Yoga oder Tai Chi nutzen.
5. Innere Heilarbeit
Nachdem ich bisher auf äußere Faktoren eingegangen bin, die du nutzen kannst, um dein Inneres Kind nachbeeltern zu können, möchte ich jetzt auf die Arbeit mit dem Inneren Kind eingehen. Diese Arbeit findet innen statt – innen, in dir.
Mit dem Inneren Kind in Kontakt treten
Indem du mit deinem Inneren Kind in Kontakt trittst, findest du heraus, welche Bedürfnisse es hat. Dein Inneres Kind braucht
- Zugehörigkeit und Nähe,
- Sicherheit und Schutz.
- Geborgenheit,
- und möchte sich gesehen, gehört und verstanden fühlen.
Wenn du weißt, was emotional fehlt, kannst du dein Inneres Kind nachbeeltern, indem du ihm gibst, was es braucht und wonach es sich sehnt. So kannst du die emotionalen Wunden aus deiner Vergangenheit heilen.
Das Wunderbare daran ist, dass du diese liebevolle, innere Zuwendung praktizieren kannst, wann und wo immer du möchtest. Es gibt keine zeitliche oder örtliche Begrenzung dafür. Dein Inneres Kind wird es dir danken! Das wirst du fühlen!
Wie komme ich in den Kontakt mit meinem Inneren Kind?
Du kannst mit deinem Inneren Kind in Kontakt treten, indem du die Augen schließt, deinen Fokus nach innen wendest und mit dem Gefühl, z.B. Angst oder Wut, in Verbindung gehst. Als würdest du sanft und eingestimmt darauf zugehen. Wichtig ist dabei, darauf zu achten, nicht in die Position des Inneren Kindes oder der Pig-Parent-Energie zu rutschten.
Sobald du spürst, dass du mit dem Gefühl deines Inneren Kindes im Kontakt bist, kannst du es behutsam und mitfühlend ansprechen:
„Ich sehe, dass du Angst (Wut) hast. Ich bin da.“
Wenn dein Inneres Kind dich hört, sieht oder fühlt, wird es auf dich reagieren, was du wiederum sehen, fühlen und/oder hören kannst – je nachdem, welcher innere Kanal bei dir am besten ausgeprägt ist. Dann kannst du beim Inneren Kind liebevoll deine Wahrnehmung ansprechen – z. B.: “Ich bekomme mit, dass du mich gehört hast.”
Durch die kontinuierliche Rückkopplung zwischen euch und deine stetige einfühlsame Zuwendung vertieft sich eure Beziehung. Das Kind in dir kann sich gesehen fühlen. Das baut Vertrauen auf und Angst ab, was weitere Nähe schafft. So kannst du dein Inneres Kind nachbeeltern, indem du immer wieder auf es eingehst und herausfindest, was es braucht, was ihm gut tut – und es ihm gibst. Mit all deiner Liebe.
Aus der Identifikation mit den Gefühlen und Gedanken austreten
Solange du mit den Emotionen und den damit gekoppelten Gedanken identifiziert bist, kannst du im Grunde nichts tun (außer, anzuerkennen, was ist – und dir Hilfe nehmen, was immer sinnvoll ist, wenn du allein nicht weiterkommen solltest). Du kannst keine Probleme auf der Ebene lösen, auf der sie entstanden sind.
Durch das “du” beim Ansprechen deines Inneren Kindes verhinderst du, dich mit dem Gefühl zu identifizieren. Falls du jedoch sehr mit dem Gefühl identifiziert sein solltest, unterstützt das “du”, aus der Identifikation mit der Emotion auszutreten.
Sollte es schwierig sein, dich aus der Identifikation zu lösen, könnte das Video Kennzeichen von Erwachsenen-Energie sehr hilfreich sein. Die Erinnerung daran, was Erwachsenen-Energie ist, unterstützt dabei, dich wieder erwachsener fühlen zu können. Das trägt zur inneren Stabilisierung bei.
Warum ist die Arbeit mit dem Inneren Kind so wichtig?
Wenn in deiner Kindheit deine Eltern oder andere Bezugspersonen deine emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllen konnten, dann bleiben diese unerfüllt und begleiten uns gleich einem unbewussten “Rucksack” bis in das Erwachsenenalter hinein.
Unerfüllte Bedürfnisse suchen weiterhin nach Erfüllung, oft in Beziehungen zu anderen Menschen, wie Partnern, Freunden oder Familienmitgliedern. Obwohl es lange Zeit so erscheinen kann, als ob diese Personen deine emotionalen Bedürfnisse erfüllen könnten, ist dies jedoch immer nur von vorübergehender Dauer.
Du wirst die Energie, die du von den anderen bekommst, in dir selbst nicht halten können, wenn du die Ursachen nicht heilen und dein Inneres Kind nicht verantwortungsbewusst nachbeeltern würdest. Dann wärst du, bildlich gesprochen, wie ein Fass ohne Boden und würdest langfristig in emotionaler Abhängigkeit von anderen Menschen bleiben. Das würde immer wieder zu Unzufriedenheit, weiterem emotionalen Schmerz und zu Konflikten in deinen Beziehungen führen.
Deshalb ist es so wichtig, deine kindlichen Bedürfnisse zu erkennen, um dein Inneres Kind nachbeeltern zu können. Diese praktizierte Selbstfürsorge ermöglicht eine gesunde Beziehung zu dir selbst und zu anderen.
Mit der Liebe deines Herzens und dem Verständnis für dein Inneres Kind kannst du all das nachnähren, was du in der Kindheit, aus welchen Gründen auch immer, von deinen Eltern nicht nehmen oder auch nicht bekommen konntest. Indem du dein Inneres Kind nachbeelterst, werden nach und nach deine kindlichen Bedürfnisse erfüllt und die emotionalen Wunden heilen mit der Zeit.
Fazit – Selbstnachnähren als Schlüssel zu innerer Heilung
Unerfüllte Bedürfnisse aus der Kindheit können tiefgreifende Auswirkungen auf das erwachsene Leben haben. Diese können zu emotionalen Stressreaktionen und Abhängigkeiten in Beziehungen führen.
Um langfristige Erfüllung zu finden, ist es notwendig, die inneren Wunden zu heilen. Äußere Einflussfaktoren, wie Achtsamkeitspraxis und Selbstfürsorge, können hierzu beitragen. Essentiell ist jedoch die liebevolle Zuwendung zu deinem Inneren Kind, um herauszufinden, welche Bedürfnisse es hat, die du nachnähren kannst.
In meinem Video “So nährst du dein inneres Kind nach” erkläre ich dir nochmals anschaulich, wie das Nachbeeltern genau funktioniert:
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