„Es geht nicht immer nur um dich!“: Wenn Elternworte verletzen

Es geht nicht immer nur um dich

Inhalt

Einführung

Als Eltern wollen wir stets das Beste für unsere Kinder, doch oft übersehen wir, wie tief unsere Worte sie emotional berühren können. Sätze wie „Es geht nicht immer nur um dich!“ mögen hilfreich erscheinen, um Rücksichtnahme zu fördern. Doch solche Worte können unbeabsichtigt tiefe emotionale Wunden hinterlassen.

In diesem Artikel beleuchte ich die Auswirkungen solcher Aussagen und zeige, wie wir als Eltern auf eine einfühlsamere und achtsamere Weise kommunizieren können, um das Selbstwertgefühl unserer Kinder zu stärken.

Die versteckten Botschaften in der Aussage „Es geht nicht immer nur um dich“!

In der Aussage „Es geht nicht immer nur um dich“, können verschiedene versteckte Botschaften mitschwingen:

Schuldzuweisung

Die Aussage wirkt wie eine Schuldzuweisung an das Kind, egoistisch zu sein und sich zu sehr auf sich selbst zu konzentrieren.

Dies kann dazu führen, dass das Kind Schuldgefühle entwickelt, was sein Selbstwertgefühl beeinträchtigen kann.

Minimierung der Bedürfnisse des Kindes

Die Aussage „Es geht nicht immer nur um dich!“ kann auch implizieren, dass die Bedürfnisse des Kindes abgewertet werden. Dadurch könnte das Kind den Eindruck gewinnen, dass seine eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Anliegen weniger wichtig oder nicht ernst genommen werden.

Dies kann dazu führen, dass das Kind sich nicht gehört und nicht respektiert fühlt.

Fehlen von Empathie und Druck zur Anpassung

Die Aussage „Es geht nicht immer nur um dich!“ kann dem Kind auch das Gefühl vermitteln, dass es nicht genug Rücksicht auf die Bedürfnisse oder Gefühle der Eltern nimmt. Dadurch könnte das Kind glauben, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse unterdrücken zu müssen, um die Erwartungen anderer zu erfüllen.

Diese Worte können außerdem suggerieren, dass das Kind dafür verantwortlich sei, die Bedürfnisse der Eltern zu erfüllen und für deren Wohlbefinden zu sorgen.

Solche Aussagen appellieren stark an das Gewissen des Kindes und können starke Schuldgefühle sowie das Gefühl hervorrufen, ungeliebt zu sein, weil es die Bedürfnisse der Eltern scheinbar nicht berücksichtigt hat.

Unbewusster Rollentausch

Kinder erkennen oft nicht, dass es nicht ihre Aufgabe ist, sich um das emotionale Wohlergehen der Erwachsenen zu kümmern. Solche Schuldzuweisungen können in ihnen ein schlechtes Gewissen hervorrufen.

Um diese vermeintliche Schuld zu begleichen, beginnen Kinder häufig, sich für das Wohl der Erwachsenen verantwortlich zu fühlen, um ihr Gewissen zu beruhigen und innere Ruhe zu finden.

Dabei entwickeln sie unbewusst die Überzeugung: „Wenn ich mich um andere kümmere, habe ich Bedeutung und werde geliebt.“ Sie glauben, durch das Erbringen von „Leistungen“ Anerkennung und Liebe zu bekommen oder zu verdienen. Dass es sich hierbei nicht um echte Liebe handelt, sondern um eine Form von emotionaler Erpressung, bleibt dem Kind meist verborgen. Die Rollen, wer für wen verantwortlich ist, sind hier vertauscht, denn letztlich tragen die Erwachsenen selbst die Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden, nicht das Kind.

In Wahrheit ist es umgekehrt: Die Erwachsenen sind dafür zuständig, für das physische und psychische Wohlergehen der Kinder zu sorgen.

Wenn diese Rollen vertauscht werden, kann das zu einem gestörten Selbstbild des Kindes führen und dazu, dass es seine eigenen Bedürfnisse vernachlässigt, um Konflikte zu vermeiden und den Erwartungen anderer gerecht zu werden.

Deshalb ist es wichtig, dass wir als Erwachsene sensibel und einfühlsam mit Kindern umgehen und ihnen vorleben, wie man sowohl auf die eigenen Bedürfnisse als auch auf die der anderen achtet. Indem wir eine unterstützende und respektvolle Umgebung schaffen, können Kinder durch unser Vorbild lernen – ganz ohne Druck, Vorwürfe, Erpressung oder Schuldzuweisung.

3 alternative Wege zu „Es geht nicht immer nur um dich!“

Die nachfolgenden Sätze vermitteln Mitgefühl und Verständnis und ermutigen das Kind, die Bedürfnisse anderer zu berücksichtigen, ohne die eigenen zu vernachlässigen. Sie bieten Sicherheit und fördern Kooperation auf eine respektvolle und wertschätzende Weise:

Gefühle anerkennen und Perspektiven erweitern

„Ich verstehe, dass du gerade traurig (ärgerlich) bist, weil dir das wichtig ist. Lass uns gemeinsam schauen, ob wir eine Lösung finden, die für alle fair ist.“

„Ich sehe, dass du … (Gefühl) bist. Vielleicht finden wir zusammen einen Weg, der sich für alle gut anfühlt.“


Diese Sätze stärken das Kind in seinen Gefühlen, während sie gleichzeitig die Bedeutung der Berücksichtigung anderer Bedürfnisse vermitteln.

Gemeinsam Lösungen finden

„Ich sehe, dass dir das gerade wichtig ist. Lass uns zusammen nach einer Idee suchen, die uns beiden hilft.“

„Du möchtest das auf deine Art lösen. Wie wäre es, wenn wir gemeinsam überlegen, wie wir beide glücklich damit sein können?“

„Ich merke, dass du deinen eigenen Weg finden möchtest. Lass uns schauen, wie wir das so gestalten können, dass wir beide zufrieden sind.“

Diese Formulierungen stärken das Gefühl des Kindes, gehört und ernst genommen zu werden, und fördern zugleich ein kooperatives Miteinander.

Den eigenen Platz in der Familie finden

„Du bist ein wichtiger Teil unserer Familie, und ich möchte, dass deine Wünsche gehört werden.“

„Deine Wünsche sind mir wichtig, und ich freue mich, dass du sie teilst. Lass uns gemeinsam sehen, wie wir sie am besten umsetzen können.“

„Es ist schön, dass du offen sagst, was du dir wünschst. Ich möchte, dass wir zusammen Lösungen finden, bei denen wir uns alle wohlfühlen.“

„Ich habe deinen Wunsch gehört und nehme ihn ernst. Lass uns zusammen schauen, wie wir das möglich machen können.“

Diese Formulierungen vermitteln ein Gefühl von Wertschätzung, Zugehörigkeit und Kooperation. Sie laden das Kind ein, aktiv mitzuwirken, und fördern ein starkes Gefühl der familiären Verbundenheit und gegenseitigen Rücksichtnahme.

Fazit – Mit Worten stärken

Unsere Worte haben großen Einfluss auf die emotionale Entwicklung unserer Kinder. Mit liebevollen, durchdachten Formulierungen helfen wir ihnen, ihre eigenen Bedürfnisse zu verstehen und die Perspektiven anderer einzubeziehen.

Durch einfühlsame, klare Kommunikation fördern wir ein positives Selbstbild und die Fähigkeit zur Empathie. So unterstützen wir unsere Kinder dabei, sich in einer Welt zurechtzufinden, die Rücksichtnahme und Selbstfürsorge gleichermaßen erfordert. Indem wir den emotionalen Druck von ihnen nehmen, stärken wir langfristig ihre psychische Gesundheit und das Vertrauen in sich selbst.

In meinem Video Worte mit Wirkung (12): „Es geht nicht immer nur um dich!“ gehe ich noch einmal detailliert auf die Auswirkungen dieser Elternaussage ein: 

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Saskia John

Über die Autorin:

Saskia John wurde in der ehemaligen DDR geboren und studierte dort Veterinärmedizin. Nach der Wende absolvierte sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Seit 1994 arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis. Sie unterstützt Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Heilung und spirituellem Wachstum.
Dabei greift sie auf langjährige Erfahrung in der Trauma Heilung, Inneren-Kind-Arbeit und in der Begleitung von Dunkelretreat-Prozessen zurück. Ihre Arbeit ist geprägt von Reisen nach China und Japan, die sie mit fernöstlichen Heilmethoden in Berührung kommen lassen.
Das Dunkelretreat ist ihr Herzens- und Forschungsprojekt. Sie selbst verbrachte insgesamt 62 Tage in absoluter Dunkelheit. „26 Tage Dunkelheit – Ein Bewusstseins-Experiment“ ist ihr zweites Buch.

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